Das Markieren – Die Hunde-SMS

Der Urin als Erkennungsmerkmal

Jeder, der mit seinem Hund Gassi geht, kennt dessen typische Schnüffelpausen. An Ecken, Bäumen, Laternenpfählen und Masten wird ausgiebig jeder Geruch studiert. Für Hunde ist das wie Zeitunglesen. Dabei erfahren sie eine Menge über ihre Artgenossen, die vor ihnen hier vorbeigekommen sind.

Klar, dass man bemüht ist, die Nachrichtenlage selbst zu ergänzen. So hebt der Rüde das Bein und markiert mit seinem eigenen Duft ebenfalls dort, wo die Artgenossen es besonders gut riechen können. Dabei gilt das Gebot: Je höher, desto eindrucksvoller. Denn die höchste Markierung ist nur schwer zu überdecken. Große Hunde haben es da leichter. Sie können auf jeder Laterne die oberste Stufe der Geruchsleiter besetzen. Doch auch kleine Hunde tun alles, um möglichst weit oben zu markieren. So gelingt es beispielsweise einigen Möpsen, sich zu diesem Zweck in den „Handstand“ zu begeben. Gegenüber einfachem Beinheben bringt das noch einige wertvolle Zentimeter zusätzlicher Höhe. Diese Technik wird in seltenen Fällen sogar von Hündinnen angewandt.

Je höher und öfter markiert, desto besser

Das Markieren an erhöhten Stellen bietet männlichen Hunden mehrere Vorteile. Zum einen bleibt die Duftspur länger frisch, da sie weniger wahrscheinlich von anderen Hunden oder Menschen verwischt wird. Wenn die Markierung in Nasenhöhe eines Hundes platziert ist, ist es wahrscheinlicher, dass sie von Artgenossen bemerkt wird, die vorbeigehen. Vertikale Markierungspositionen sind in der Hunde-Kommunikation üblich, wodurch es für andere Hunde einfacher ist, diese Informationen zu finden.

Selbst wenn ein Hund bereits ausgiebig markiert hat, bleibt oft noch genug Urin übrig, um weitere Spritzer zu setzen. Die Handlung des Markierens hat eine instinktive Dynamik, die nicht immer davon abhängt, ob der Hund tatsächlich noch Urin ausscheiden kann. Deshalb wird selbst dann, wenn kein weiterer Tropfen kommt, das Bein erneut gehoben, um die Botschaft zu verstärken und die Präsenz des Hundes zu markieren.

Dieses Verhalten unterstreicht die Bedeutung des Geruchssinns und der chemischen Kommunikation für Hunde, die durch das Markieren mit Urin eine Vielzahl von Informationen über Identität, Territorium und Sozialstatus austauschen.

Pinkeln soll gelernt sein!

Das Lernen des richtigen Pinkelverhaltens bei Hunden ist eine interessante Entwicklung, die im Laufe ihres Lebens stattfindet. Welpen beginnen damit, sich einfach mit gebeugten Hinterbeinen auf den Boden zu hocken, um zu urinieren. Erst in der Pubertät, etwa mit acht bis neun Monaten, beginnen männliche Hunde das Bein zu heben. Dieser Übergang ist oft eine Lernkurve. Manchmal passieren Fehler, wie das Heben des falschen Hinterbeins in der Nähe eines Baumes. Diese Anpassungen sind Teil des Lernprozesses und erfordern Zeit und Übung.

Eine solche Entwicklung zeigt, wie Hunde mit dem Alter und der Reife verschiedene Verhaltensweisen erlernen und anpassen, um ihre natürlichen Instinkte und sozialen Normen zu erfüllen.

Die Duftmischung macht es aus

Im Urin befinden sich Sekrete mit individuellem Eigengeruch aus Duftdrüsen sowie bestimmte Sexualhormone. Diese Duftmischung enthält also eine Fülle an Informationen, die von den Artgenossen gewissenhaft „ausgelesen“ werden. Im eigenen Revier hat das Markieren vor allem den Effekt, das heimatliche Territorium zu kennzeichnen. Gerüche, auf die man immer wieder stößt, zeigen an, wer noch in der Gegend ansässig ist. Duftmarken allein bedeuten aber noch keinen territorialen Besitzanspruch, sondern sind rein informativ und lösen folglich auch keine Furcht aus. Wird allerdings ein unsympathischer „Absender“ wahrgenommen, so läßt sich das oft am gesträubten Fell des Schnuppernden erkennen. Außerdem können Duftmarken Informationen zur sexuellen Disposition enthalten, also Aufschluß darüber geben, ob sich paarungsbereite Artgenossen im Gebiet befinden.

Zusatztbotschaften

Auch die Duftmarken, die Hündinnen am Boden hinterlassen, werden von anderen Hunden sorgfältig studiert. Normalerweise scheiden Hündinnen ihren gesamten Urin auf einmal aus. Wenn sie jedoch läufig sind, hinterlassen sie zusätzliche chemische Botschaften, die Informationen über ihren hormonellen Zustand enthalten. Diese Nachrichten sind besonders wichtig für Rüden, die dadurch über die Fortpflanzungsbereitschaft der Hündin informiert werden.

Hündinnen wählen nicht zufällig ihre Markierungsstellen aus. Oft überschreiben sie gezielt die Duftspur einer vorherigen Hündin. Auf diese Weise modifizieren sie die vorhandenen Informationen und hinterlassen ihre eigene Botschaft für andere Hunde, die die Stelle später besuchen werden.

Dieses Verhalten zeigt die Komplexität der chemischen Kommunikation unter Hunden und wie sie ihre Umgebung nutzen, um wichtige Informationen über ihren Zustand und ihre Anwesenheit auszutauschen.

Fremdlinge im Revier

Aus der Art des Urinierens können Hunde bereits aus der Ferne erkennen, ob ein Tier männlich oder weiblich ist, lange bevor sie eine detaillierte Geruchswahrnehmung vornehmen können. Die Frische von Markierungen ermöglicht es Hunden auch, abzuschätzen, wann Fremde das Revier besucht haben. In freier Wildbahn nutzen Rudel diese Informationen, um Konflikte zu vermeiden oder sich aus dem Weg zu gehen, indem sie bestimmte Orte abwechselnd aufsuchen.

Diese Fähigkeiten sind entscheidend für das Überleben und das soziale Miteinander in der Wildnis, wo es wichtig ist, territoriale Grenzen zu erkennen und zu respektieren. Durch das Beobachten und Interpretieren von Markierungsverhalten können Hunde potenzielle Konflikte vermeiden und gleichzeitig sicherstellen, dass sie wichtige Ressourcen wie Nahrung und Lebensraum optimal nutzen können.

Diese angeborenen Fähigkeiten zeigen die Bedeutung der chemischen Kommunikation für die sozialen Strukturen und das Überleben von Hunden in ihrer natürlichen Umgebung.